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DISSERTAZIONI DI DOTTORATO
2002-2003

FISTILL Ulrich

Israel und das Ostjordanland. Untersuchungen zur Komposition von Num 21,21-36,13 im Hinblick auf die Entstehung des Buches Numeri

(Mod.: Prof. Jean Louis SKA)

Die Arbeit setzt sich als Ziel, die Komposition von Num 21,21-36,13 näher zu untersuchen, um daraus Erkenntnisse zur Entstehung dieses Abschnittes und des Buches Numeri zu gewinnen. Num 21,21-36,13 wird dabei sowohl synchron (Aufbau und Schwerpunkte) als auch diachron (bes. redaktionskritisch) untersucht.
Als These wird vertreten, daß die heutige Gestalt des Buches Numeri (Endgestalt) auf eine nach-priesterschriftliche Redaktion zurückzuführen ist, die alte Traditionen aufgegriffen, mit neueren sowie eigenen Texten verbunden und zu einem Werk mit eigenem Profil komponiert hat.
    Einige Ergebnisse der Untersuchung:
    Numeri enthält viele, recht unterschiedliche Traditionen verschiedener Herkunft. An der Struktur des Buches läßt sich aber ein übergeordnetes Gesamtkonzept erkennen. Die von R. Knierim erarbeitete zweiteilige Struktur "Vorbereitung des Marsches" (1,1-10,10) - "Ausführung des Marsches" (10,11-36,13) läßt sich dahingehend präzisieren, daß Numeri eine zweifache Ausführung des Marsches beschreibt (10,10-21,20 negativ - 21,21-36,13 positiv), und daß die kultisch-sakrale Komponente dieses Kriegszuges die Darstellung bestimmt.
    Die Verkettung und die heutige Anordnung der Perikopen innerhalb von Num 21,21-36,13 erweisen sich als das Werk einer einzigen Redaktion. Auf diese Redaktion gehen neben den zuvor genannten Eingriffen vor allem die Texte über die Midianiter zurück (Num 22,4a.7*; 25,6-15.16-18; 31).
    Die Sprache und das stark kultisch-religiöse Interesse der Midianiter-Traditionen (bes. Num 25,6-15 und Num 31) zeichnen die Texte als priesterlich aus. Die auffallenden Divergenzen zwischen Num 31 und Num 27,12-23 (P) weisen jedoch den Abschnitt über den Krieg gegen Midian und somit die gesamten Midianiter-Texte - allgemein gesprochen - als nach-priesterschriftliche Texte aus. Man kann also innerhalb der für gewöhnlich als "priesterlich" gekennzeichneten Traditionen zwischen der Priesterschrift (P) und einer nach-priesterschriftlichen Redaktion unterscheiden, die vor allem die Ideen der Priesterschrift (vgl. auch Ez, bes. 40-48) weiterführt. Die Redaktion setzt aber auch das Heiligkeitsgesetz (H) voraus, an dessen Gedanken sie sich stark anlehnt. Schließlich sucht sie auch an mehreren Stellen einen Ausgleich zu den Traditionen im Buch Deuteronomium (vgl. neben Num 21,33-35 und 32,33 bes. Num 34-35).
    Bereits bestehende Traditionen wurden durch die Redaktion aneinandergereiht und geordnet (vgl. Num 28-30; 33-35), zum Teil leicht überarbeitet oder gedeutet (26,29-33), vor allem aber miteinander verbunden (22,1-7*; 25,5.16-19; 26,8-11), und zwar auch bücherübergreifend (36,13).
    Die redaktionelle Tätigkeit erweist sich wegen der auffälligen Präzisionsarbeit als das Werk eines Einzelnen, oder als das einer sehr kleinen Gruppe, die wohl im Umfeld des Jerusalemer Tempels zu suchen ist.
Der nach-priesterschriftlichen Numeri-Redaktion ging es in erster Linie darum, die nachexilische Gemeinde um den Jerusalemer Tempel zu definieren und zu strukturieren. Zentrale Fragen betreffen daher den Kult (Opfer, Feste, Glaubensabfall, Reinheitsgebote, Vorrangstellung der Priesterschaft) und die Zugehörigkeit zur Gemeinde (genealogische Listen). So entfaltet Num 32 am Beispiel der ostjordanischen "Stämme", daß man zur "Gemeinde Israels" gehören kann, ohne im Verheißenen Land wohnen zu müssen. Umgekehrt müssen religiöse Feinde (am Beispiel der "Midianiter") kultisch bekämpft werden (vgl. Num 25; 31). Als Höchste Instanz der Tempelgemeinde und Garant der kultischen Reinheit gilt der Hohepriester (vgl. die vorherrschende Rolle des Pinhas in Num 25; 31).
    Bezüglich des geschichtlichen Hintergrundes der Numeri-Redaktion lassen sich nur allgemeine Schlüsse ziehen: Die Texte setzen eine Zeit voraus, in der sich eine gewisse Vorrangstellung des Hohenpriesters bereits etabliert hat. Die Gefahr von fremden, sich stark ausbreitenden Bräuchen und Kulten scheint groß zu sein. Es steht nicht mehr der Besitz des Landes im Vordergrund, sondern die Volkszugehörigkeit. Nicht alle wohnen im "Verheißenen Land" (= Judäa), das Verhältnis zwischen denen, die im Land leben, und jenen, die außerhalb wohnen, scheint aber gut zu sein (Num 32). Die Situation könnte auf die Zeit nach Nehemia und Esra deuten (Heiratspolitik!), also etwa in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr.